Gefährdung durch Radioaktivität
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
In zahlreichen Betrieben im In- und Ausland wird seit vielen Jahren mit radioaktiven Stoffen gearbeitet. Seit 1972 ist das Kernkraftwerk Mühleberg in Betrieb, seit 1979 das Kernkraftwerk Gösgen-Däniken. Wie alle schweizerischen Kernkraftanlagen weisen beide Werke einen hohen Sicherheitsgrad auf; ein schwerer Störfall ist sehr unwahrscheinlich.
Wie bei andern möglichen Gefährdungen, mit denen in der zunehmend technisierten Welt von heute zu rechnen ist, haben Regierungsrat und Gemeindebhörden jedoch die Aufgabe, die Bevölkerung in der Umgebung (Zonen 1 und 2) der Kernkraftwerke vorsorglich über die Alarmierung und das Verhalten bei einem Unfall zu orientieren.
Zur Zone 1 des Kernkraftwerks Mühleberg gehören vier, zur Zone 2 insgesamt 97 bernische Gemeinden. Vier Gemeinden unseres Kantons liegen in der Zone 2 des Kernkraftwerks Gösgen (Kanton Solothurn). In allen diesen Gemeinden sowie auf Kantons- und auf Bundesebene sind zweckmässige Vorbereitungen getroffen worden, damit eine Gefährdung rechtzeitig zu erkennen ist, die Bevölkerung unverzüglich alarmiert wird und die Behörden allenfalls die erforderlichen Schutzmassnahmen anordnen können.
Diese Broschüre informiert Sie
darüber, wie Sie sich im Notfall verhalten müssen und
optimal schützen können. Wir bitten Sie, die Schrift
sorgfältig zu lesen und dann griffbereit aufzubewahren.
Im Namen des Regierungsrates des Kantons
Bern
Der Präsident: Dr. U. Augsburger
Der Staatsschreiber: Dr. K. Nuspliger
Bern, im September 1989
Strenge behördliche Sicherheits-
und Kontrollvorschriften regeln den Betrieb der Anlagen, die für
den Umgang mit radioaktiven Stoffen bestimmt sind. Zusammen mit
mehrfach vorhandenen Schutzsystemen und extakter technischer Überwachung
garantieren sie ein hohes Mass an Sicherheit. Aus diesen Gründen
ist ein schwerer Unfall sehr unwahrscheinlich. Ganz auszuschliessen
ist er aber nicht. Daher haben die Behörden geeignete Massnahmen für
den Schutz der Bevölkerung geplant und die
notwendigen Vorbereitungen getroffen.
Wenn bei einem schweren Kernkraftwerk-Unfall
gleichzeitig die mehrfach vorhandenen Sicherheitssysteme versagen,
kann eine radioaktive "Wolke" austreten und die unmittelbare
Umgebung während des Vorbeizugs durch Strahlung gefährden.
Die Wolke ist unsichtbar, aber mit Messgeräten feststellbar.
Wetter und Windverhältnisse beeinflussen Richtung und Geschwindigkeit
der radioaktiven Wolke. Eine Gefährdung für Mensch und
Tier besteht in der Bestrahlung aus der vorüberziehenden
Wolke, durch Einatmen verstrahlter Luft und durch Aufnahme von
verstrahlten Nahrungs- und Futtermitteln und Oberflächenwasser.
Das Trink- und Tränkewasser aus der öffentlichen Wasserversorgung
ist nicht verstrahlt. Das Wasser aus offenen Brunnen und Zisternen
dagegen ist nur nach besondern Weisungen zu gebrauchen.
Den besten Schutz gegen radioaktive
Bestrahlung bietet ein Keller oder ein Schutzraum. Dort ist die
Strahlenbelastung bis zu hundertmal kleiner als im Freien. Schon
der Aufenthalt im Hausinnern gewährt bei geschlossenen Türen
und Fenstern einen gewissen Schutz. Die Dauer des Aufenthalts
im Keller oder im Schutzraum hängt vom Unfallgeschehen ab
und kann einige Stunden bis höchstens zwei Tage dauern. In
lokal beschränkten Gebieten in nächster Nähe des
Unfallortes könnte - bedingt durch die Wetterlage - eine
erhöhte Radioaktivität länger andauern; für
diese ganz seltenen Fälle ist die Evakuation der betroffenen
Bevölkerung geplant.
Oberirdische Zimmer mit grossflächigen Fenstern weisen den kleinsten, unterirdische Räume mit dicken Mauern den grössten Schutzfaktor auf. Dieser ist auch abhängig von der Dichtheit der Fenster und Türen.
In den Schutzräumen soll die Ventilation nicht eingeschaltet werden. Für den notwendigen Luftwechsel (Sauerstoffbedarf) ist die Tür ins Hausinnere zu öffnen.
Beispiel: Ein Schutzfaktor (SF) 100
bedeutet eine 100mal kleinere Strahlenbelastung als ohne Schutz
im Freien.
Die Warnung der Behörden und die Alarmierung der Bevölkerung erfolgen in drei Stufen.
Falls bei einem Störfall ernsthafte Gefährdung der Bevölkerung möglich erscheint, wird die Stufe Warnung ausgelöst. Die Warnung geht an die Behörden und Einsatzorgane.
Entwickelt sich der Störfall weiter, wird die Stufe Allgemeiner Alarm für die Bevölkerung im gefährdeten Gebiet ausgelöst.
Ist mit einem unmittelbaren Austritt
von Radioaktivität in die Umgebung zu rechnen, wird im gefährdeten
Gebiet Strahlenalarm* ausgelöst.
*Schutzmassnahmen werden neu mit Verhaltensanweisungen
anschliessend an einen ALLGEMEINEN ALARM der Bevölkerung
bekanntgegeben. Der Strahlenalarm KKW- wie er neu heisst- soll
bei einem Austritt von Radioaktivität die noch im Freien
sich aufhaltenden Einsatzorgane in den Zonen 1+2 auffordern, ebenfalls
Schutz zu suchen.
In der Zone 3 gibt es das Zeichen Strahlenalarm KKW nicht mehr.
Die Radioaktivität wird dauernd
überwacht. Drohen radioaktive Stoffe aus einer Anlage zu
entweichen, so wird die betroffene Bevölkerung mit stationären
und mobilen Sirenen alarmiert. Die Behörden orientieren durch
Radio DRS 1 über die Ursachen des Alarms und über die
zu ergreifenden Massnahmen. Die Zeit reicht aus, damit jedermann
die für seinen Schutz nötigen Massnahmen treffen kann.
Der Kanton Bern unterhält einen gut eingespielten Kantonalen Führungsstab, in dem auch der AC-Schutzdienst vertreten ist. Dieser Stab wäre bei einem Notfall ständig mit den Bundesbehörden und den Fachstellen in Verbindung, um jederzeit wirksam handeln zu können.
In vielen Gemeinden des Kantons Bern
bestehen Gemeindeführungsstäbe; in den übrigen
werden sie aufgebaut. Diese Organisationen haben die Aufgabe,
die Bevölkerung zu informieren, die Alarmierung sicherzustellen
sowie Schutzmassnahmen vorzubereiten und durchzuführen.
Das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartemend
(EVED) hat im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung
folgende Zoneneinteilung vorgenommen (siehe Karte):
Die Zone 1 des Kernkraftwerks Mühleberg umfasst Gebiete der Gemeinden Golaten, Mühleberg, Radelfingen und Wileroltigen. In dieser Nahzone kann bei einem schweren Störfall eine Gefahr auftreten, die rasche Schutzmassnahmen erfordert.
Die Zone 1 des Kernkraftwerks Gösgen
reicht nicht in den Kanton Bern.
Die Zone 2 des Kernkraftwerks Mühleberg
umfasst das über die Zone 1 hinausreichende Gebiet bis zu
einem Radius von 20 km. Im Kanton Bern gehören 97 Gemeinden
zur Zone 2 des Kernkraftwerks Mühleberg und vier zur Zone
2 des Kernkraftwerks Gösgen. Entsprechend der Wetterlage
müssen in den gefährdeten Sektoren Massnahmen für
den Schutz der Bevölkerung angeordnet werden.
Die Zone 3 des Kernkraftwerks Mühleberg
umfasst das Kantonsgebiet ausserhalb der Zone 2. In diesem Gebiet
besteht, selbst bei einem schweren Unfall im Kernkraftwerk Mühleberg,
keine unmittelbare Gefährdung der Bevölkerung. Indessen
kann eine radioaktive Gefährdung - deren Ursache dann nicht
im Kernkraftwerk läge - auch hier Warnung und Alarmierung
notwendig machen.
Gemeinden, die ganz oder teilweise in der Zone 1 des Kernkraftwerks Mühleberg liegen:
Golaten | Radelfingen | Wileroltigen | |
Bernische Gemeinden in der Zone 2 des Kernkraftwerks Mühleberg:
Aarberg | Hagneck | Ostermundingen |
Aegerten | Hermrigen | Port |
Albligen | Iffwil | Prêles |
Ballmoos | Ins | Rapperswil |
Bangerten | Ipsach | Rüeggisberg |
Bargen | Ittigen | Ruppoldsried |
Bellmund | Jens | Scheunen |
Belp | Kallnach | Scheuren |
Bern | Kappelen | Schüpfen |
Biel/Bienne | Kehrsatz | Schwadernau |
Bolligen | Kirchlindach | Seedorf |
Bremgarten b. Bern | Köniz | Siselen |
Brügg | Kriechenwil | Stettlen |
Brüttelen | Laupen | Studen |
Büetigen | Ligerz | Sutz-Lattrigen |
Bühl | Lüscherz | Täuffelen |
Busswil b. Büren | Lyss | Treiten |
Clavaleyres | Meienried | Tschugg |
Deisswil b. M. | Meikirch | Tüscherz-Alfermée |
Diemerswil | Merzligen | |
Diessbach b. Büren | Moosseedorf | Twann |
Dotzigen | Mörigen | Urtenen |
Englisberg | Münchenbuchsee | Vinelz |
Epsach | Münchenwiler | Wahlern |
Erlach | Müntschemier | Walperswil |
Evilard/Leubringen | Muri b. Bern | Wengi |
Ferenbalm | Neuenegg | Wiggiswil |
Finsterhennen | La Neuveville | Wohlen b. Bern |
Frauenkappelen | Niedermuhlern | Zimmerwald |
Gampelen | Niederried b. Kallnach | Zollikofen |
Grossaffoltern | Oberbalm | Zuzwil |
Gurbrü | Orpund |
Bernische Gemeinden in der Zone 2
des Kernkraftwerks Gösgen:
Roggwil | Schwarzhäusern | Untersteckholz | Wynau |
Alarmzeichen | Bedeutung des Alarms | Alarmursache | Verhalten in den
Zonen 1 und 2 | Verhalten in der Zone 3 |
Telefonische Warnung an die zuständigen Behörden und Fachstellen![]() | Warnung | Schwerer Störfall in einem Kernkraftwerk | Die zuständigen Behörden treffen vorsorgliche Massnahmen | Eine radioaktive Gefährdung, die ja nicht von einem Kernkraftwerk ausgehen muss, kann auch hier Warnung und Alarmierung notwendig machen. Falls Massnahmen angeordnet werden müssen, so ist auf jeden Fall genügend Zeit für deren Ausführung |
An- und abschwellender Heulton von 1 Minute![]() | Allgemeiner Alarm | Der schwere Störfall im Kernkraftwerk weitet sich aus. Ein Entweichen grösserer Mengen von radioaktiven Stoffen kann nicht mehr ausgeschlossen werden. | Radio DRS 1 hören;
Anweisungen der Behörden befolgen, die über Radio und andere Informationsmittel verbreitet werden. Nachbarn informieren. Ruhe bewahren, nur in Notfällen telefonieren. |
Weisungen der Behörden (über Radio DRS 1) befolgen. |
Unterbrochener, an- und abschwellender Heulton von 2 Minuten![]() | Strahlen-
alarm KKW | Eine Gefährdung durch Entweichen grösserer Mengen von radioaktiven Stoffen steht unmittelbar bevor. | Schutz suchen;
Türen, Fenster und Fensterläden schliessen (Ventilationen für Aussenluft, Apparate und Herdplatten ausschalten, offene Feuer löschen, Gas- und Wasserhahnen schliessen). Nächstgelegenen Keller oder Schutzraum aufsuchen (zur Belüftung Tür ins Hausinnere offen lassen) (Transistor)-Radio mitnehmen und weitere Anweisungen befolgen. Warme Kleider, Wolldecke oder Schlafsack, Taschenlampe (Reservebatterien!) und etwas Verpflegung und Trinkwasser sowie Medikamente mitnehmen. Im Hause gelagerte Lebensmittel und das Trinkwasser aus dem Versorgungsnetz dürfen unbedenklich eingenommen werden. Haustiere im Hause zurückhalten. Vieh im geschlossenen Stall halten, nur vorher eingebrachtes Frischfutter abgeben. Ventilation abschalten oder auf Minimum reduzieren. Ruhe bewahren, Haus nicht verlassen. Nur in Notfällen telefonieren. | |
Mitteilung über Radio DRS1![]() | Ende der Gefahr | Es besteht keine radioaktive Gefährdung mehr | Schutzräume und Keller verlassen. Weitere Weisungen der Behörden befolgen |
... auch Ihre Familienangehörigen
die Broschüre lesen sollten
... Sie diese Broschüre nach dem
Lesen griffbereit aufbewahren sollten
... Sie weitere Broschüren bei
Ihrer Gemeindeverwaltung beziehen können
... Sie in jedem PTT-Telefonbuch (hinterste
Seiten) weitere wichtigen Informationen über die Alarmierung
der Bevölkerung in Friedenszeiten und das Verhalten in Notfällen
finden
... Sie Zusatzauskünfte bei der
Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen des Eidg.
Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes in Würenlingen
(Tel. 056 /310 38 11) erhalten können
... auch der bestens organisierte Notfallschutz
nur wirksam funktionieren kann, wenn jeder einzelne grundsätzlich
weiss, wie er sich im Notfall verhalten muss.